fakd-Newsletter August 2022
Liebe Leserinnen und Leser,
wie schön und kostbar es ist, am Arbeitsplatz vertraute Gesichter und geschätzte Menschen zu sehen - oft präsent und digital in einem stabilen Wechsel -, das erleben wir in diesen Tagen ganz besonders, in denen Flüsse trockenfallen, Landstriche verdorren und der Krieg in Europa bereits den Zeitraum eines halben Jahres überschreitet.
Man möchte manchmal die Augen vor der Welt verschließen. Doch sie wird uns zur Anrufung, fordert heraus zu Menschlichkeit und Solidarität. Und sie stärkt unsere Trotzkraft, um der Sinnstiftung unseres alltäglichen Tuns neu zu vertrauen und sie immer wieder in uns zu wecken.
Wie können wir zukünftig dem Doppelgebot der Liebe angemessen Heimat geben? Dazu schaut Uta Hirschler als Vorstand des Diakonischen Werkes evangelischer Kirchen in Niedersachsen nach Vorn und nimmt besonders jene in den Blick, die in der Generationenkette heute noch in der zweiten oder dritten Reihe stehen. Die frühere Regionalbischöfin und heutige Inhaberin einer eigenen Coachingfirma, Dr. Birgit Klostermeier, nimmt uns in der Rubrik Werkzeugkasten mit auf die Reise, Coachingformate für Führungskräfte näher kennenzulernen, die das Verhältnis von Herausforderungsgrad zu persönlichem Leistungsniveau neu justieren helfen.
1. Zukunft gestalten – Worauf es jetzt ankommt!
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Das Gebot der doppelten Liebe ist der Liebe zu Gott gleich und das höchste Gebot.
Von Uta Hirschler, Vorstand Diakonisches Werk evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Hannover
Für mich ist es der Leitfaden des Glaubens zum Leben. Relevanz gewinnt dieser insbesondere angesichts von Herausforderungen: Er gibt Orientierung und hilft bei der Abwägung, folgerichtig auch für das, worauf es für die Zukunftsgestaltung ankommt. Kirchliche Orte in den Organisationsformen Kirche und Diakonie müssen Orte sein, an denen Menschen sich vergewissern und zum Wohl von Nächsten in Gemeinwesen und Welt einsetzen. Orte, an denen Selbst- wie Nächstenliebe sowohl von den Einzelnen, als auch insgesamt ausgewogen gelebt werden.
Die größte Herausforderung sehe ich in der stark rückläufigen Zahl Berufstätiger im nächsten Jahrzehnt. Die knappste Ressource wird nicht mehr das Geld, sondern das Personal sein. Es wird weniger hauptamtlich geleistet werden können.
Die bisherigen Antworten weiterzutreiben, Fusionen, Regionalisierungen und Erhöhung des Renteneintrittsalters zu wiederholen, noch mehr Impulse für die Arbeit vor Ort zu geben, wird allenfalls Lösungen aufschieben. Ehrenamtliches Engagement kann sehr viel bewegen, hat aber andere Bedingungen und es wäre zu einfach, von ihm dauerhaft eine Füllung entstehender Lücken zu erwarten.
Es muss sich also anders ändern. Für die Lösungssuche fällt mein Blick auf zweierlei.
Zum einen sind die Ideen derer aufzunehmen, die dann noch hauptamtlich tätig sein werden. Das sind die jetzt 40 bis Anfang 50 Jährigen, die vielerorts in der zweiten und dritten Reihe stehen und bereit sind Neues zu denken. Sie sollten maßgeblich bei der Entwicklung sein und sich vorbehaltlos unterstützt wissen.
Zum anderen sehe ich auf Organisations- und Bürokratisierungsgrad: Transparenz über Ziele und Strategien, Prozesse und Ressourcenverwendung wird wichtiger werden um glaubwürdig zu sein und zu bleiben. Dazu bieten der kirchliche Status als Körperschaft öffentlichen Rechts und diakonischer Unternehmen als gemeinnützige Organisationen heute sinnvolle Rahmen. Aber ist die Beschaffenheit der rechtlichen Strukturen in allen gegenwärtigen Details zwingend, um dem Doppelgebot der Liebe eine angemessene Heimat zu bieten?
2. Angebote der fakd
Wir entwickeln laufend neue Angebote in unseren unterschiedlichen Kategorien der Weiterbildungen, Seminare, Tagungen, Werkstätten - in Präsenz- und Online-Formaten, die Ihnen Anregung und Impuls für die Gestaltung Ihrer Arbeit sein sollen.
Neue Impulse gewinnen Sie z.B. hier:
Gut, gerne und gesund: Mit 3G Veränderung gestalten
Online-Fachtagung zum Zusammenhang von Führung und Gesundheit
26. Oktober 2022 mit Christine Ursel, Katharina Buchgeister, Dr. Susanne Schatz, Prof. Dr. Barbara von Maibom, Carmen Bösen, Dirk Hübel, Korinna Beck, online
Werkstatt zum Führen und Leiten in Kirchenkreisen
10.-11. Oktober 2022 mit Carsten Stein, Berlin
Führen in komplexen Kontexten und unsicheren Zeiten - Person und Organisation systemisch erkunden
Start 13. Oktober 2022 mit Dr. Birgit Klostermeier, Frankfurt
Im Dschungel des Führens
19.-20. Oktober 2022 mit Dr. Lars Charbonnier und Tilman Kingreen, Berlin
Hauen und Stechen 2.0: Wenn zwei sich streiten, sind Sie der/die Dritte
31. Oktober - 01. November 2022 mit Andrea Strodtmann, Berlin
Basiskurs Selbstführung
10.-11. November 2022 / 08.-09. Dezember 2022 /12.-13. Januar 2023 mit Sylvie Trentzsch, Berlin
Konflikte vorbeugen und lösen mit der GewaltFreien Kommunikation (GFK)
14. & 21. & 28. November 2022, 05.Dezember 2022 mit Sylvie Trentzsch, online
Wirksame Führung im 21. Jahrhundert
30. November - 02. Dezember 2022 mit Frank H. Baumann-Habersack, Hannover
Wir bauen mit Ihnen Teams!
Hier finden Sie einen Überblick über unsere Weiterbildungsangebote im Bereich Teamentwicklung.
Für alle, die es kompakt mögen, unsere Online-Formate:
Auf dass sie gerne bleiben
09. September 2022, 14.00-15.30 Uhr mit Christine Ursel, online
Von Anfang an ein anderer Blick
09. September 2022, 16.30-18.30 Uhr mit Christine Ursel, online
Führung AHOI ?! Leinen los
Start 20. Oktober 2022, 08.30-11.30 Uhr - 24. November 2022, 08.30-11.00 Uhr mit Martina Leidinger und Christine Ursel, online
Achtsamkeit und Resilienz in der Führung
08. November 2022, 16.00-18.15 Uhr mit Kerstin Köhler und Cäcilie Skorupinski, online
Social Media für diakonische Einrichtungen: Teil 1 - Identität, Image und Reputation
10. November 2022, 09.00-10.30 Uhr mit Robert Wieczorek, online
Social Media für diakonische Einrichtungen: Teil 2 - Konkretes Arbeiten in Sozialen Netzwerken
10. November 2022, 15.30-17.00 Uhr mit Robert Wieczorek, online
Baustein einer nachhaltigen Personalentwicklung: Berufsbezogene Persönlichkeitsbeschreibung
07.-09. Dezember 2022, 11.00-13.00 Uhr mit Tilman Kingreen, online
Weitere kurze und auch längere Online-Seminare finden Sie hier.
3. Aus dem Werkzeugkasten:
Im Flow? Oder nah dran an der Über- oder Unterforderung?? - Ein Diagnosemodell
Von Dr. Birgit Klostermeier, systemische Beraterin, Göttingen
Dieses nach dem ungarischen Psychologen Mihály Csikszentmihalyi entwickelte so einfache wie anregende Schema einer Stressdiagnose habe ich bei Niels Quakebeke gefunden und es inzwischen öfter in verschiedenen Coaching- und Weiterbildungskontexten angewendet. Es eignet sich als Reflexionshilfe für Führungskräfte in Personalverantwortung, in der Teamentwicklung oder auch für die persönliche Selbsteinschätzung der eigenen Arbeitssituation.
Zentraler Gedanke ist das Verhältnis vom Herausforderungsgrad zum persönlichen Leistungsniveau. Die beiden ersten Quadranten beschreiben Situationen mit einem niedrigen Herausforderungsgrad: Die beruflichen Aufgaben scheinen leicht und erfordern wenig Vorkenntnisse. Eine Person mit geringer Kompetenz (1) wird die Aufgabe gut lösen können, jedoch wenig Anreize haben, Neues für sich zu entdecken oder neue Kenntnisse zu erwerben. Ein eher gleichgültiger Zustand, eine Form von Apathie, könnte die Folge sein. Menschen mit einem höheren Leistungsniveau (2) lösen die Aufgabe ebenfalls schnell, erleben sich jedoch unterfordert und in ihren Fähigkeiten nicht wahrgenommen und falsch eingeschätzt. Wenn dieser Zustand über längere Zeit anhält, könnte sich die Langeweile mit depressiven Stimmungen mischen oder auch zu einem Boreout entwickeln.

Anders ist es bei den Situationen, in denen quantitativ oder qualitativ viel erwartet wird. Personen mit einem niedrigeren Leistungsniveau (3) können hier unter Druck geraten. Ängste und das Bedrohungsgefühl führen möglichweise zu Anspannungen oder auch zu Blockaden. Wer hier versucht dauerhaft durchzuhalten, riskiert psychosomatische Reaktionen, langfristig u.U. auch ein Burnout. Wenn der Herausforderungsgrad dagegen mit dem Leistungsniveau auf einem hohen Level und in guter Balance ist (4), wirkt die Aufgabe stimulierend und motivierend; es entsteht ein Flow. Das Ziel scheint klar und die Annäherung ist sicht- und spürbar, die Arbeit scheint sich fast wie von selbst zu tun. Auch hier, darauf deutet die Resilienzforschung hin, kann sich aus dem guten Stress, dem Eustress, auch ein Burnout entwickeln, nämlich dann, wenn beim Spaß an der Arbeit und dem persönlichen narzisstischen Zugewinn, die körperliche Erschöpfung nicht mehr bemerkt wird.
Das Schema ist einfach und wirkt möglicherweise unterkomplex. Genau darin liegt jedoch der Reiz, weil in der Anwendung mit ihm unterschiedliche Arten von Komplexitätssteigerungen möglich sind. Meiner Erfahrung nach eignet es sich gut
- für einen ersten und schnellen Blick der personalverantwortlichen Führungskraft: z.B. bei der Einschätzung der Mitarbeiterin. Woher kommt ihr renitentes Verhalten, das sie nach ihrem ersten Jahr vermehrt an den Tag legt? Warum ist sie so oft in Gesprächen auf dem Flur anzutreffen? Auf Nachfrage sagt sie, es sei zu viel – aber was meint sie eigentlich genau? Kann oder will sie nicht? Über- oder Unterforderung? – Das Schema hilft das Personalgespräch vorzubereiten, z.B. Fragen nach den Arbeitsbedingungen zu entwickeln, den Raum jedoch offen zu halten für eine differenzierte Diagnose.
- für die Einschätzung der persönlichen Arbeitssituation: Ich verbinde dieses Schema in meiner Beratungspraxis mit Raumaufstellungen. Die Quadranten werden auf dem Boden markiert und können so betreten werden. Ein Hin-und Hergehen zwischen den Feldern ermöglicht, auch komplexe Arbeitszusammenhänge und -dynamiken sicht- und nachvollziehbar zu machen; Stichworte werden notiert (siehe Abbildung 2). Unterschiedliche Kontexte (im Team, im Leitungsgremium, in der Öffentlichkeit…) werden beispielsweise nacheinander so abgeschritten, dass sich langsam ein Gesamtbild mit seinen jeweiligen Balancen und Aushandlungsformen erschließt. Veränderungsmöglichkeiten können daran anschließend ausgelotet werden.

- für die vertiefende Kommunikation im Arbeitszusammenhang: Ein Durchgang mit einer Gruppe (Kirchenvorstand, kollegiales Team) erhellt Zusammenhänge und kann ins Gespräch führen über Arbeitsteilungen und sich anbietende Rollenwechsel, über Zielunklarheiten und individuelle Förderungen.
- für Erkundungen im Zusammenhang von Organisationsentwicklung: Mitarbeitende können mithilfe des Schemas die Organisationskultur beschreiben. Ist Langeweile an der Tagesordnung? Oder Überforderung angesagt? Wie kommt es, dass auch nach Stellenwechsel etwas Apathisches über der Abteilung liegt? In welchen Bereichen stimmt der Flow? Was sagt dies jeweils aus über das Verhältnis der Organisation zu ihrem Umfeld? Was über ihr Verhältnis zu den Mitarbeitenden?
- zur Annäherung an eine persönliche Work-Life-Balance: Über die organisationale Welt einer Person hinaus kann auch ihre (vom beruflichen Kontext unabhängige) professionelle und ihre private Welt in den Blick genommen werden, mit den jeweiligen Ausgleichsmöglichkeiten. „Welche Bedingungen sind es, die mich in den Flow bringen? Worauf sollte ich demzufolge mehr achten? Welche Situationen sollte ich besser vermeiden oder versuchen, sie zeitlich zu begrenzen? Wohin mit meiner Energie, ohne dass sie verpufft?“ Manchmal tun sich beim Blick auf das Ganze überraschende Kompensationsmöglichkeiten auf.
… und sonst noch
- Wir danken allen knapp 800 Menschen, die an unserer Kund*innenbefragung teilgenommen haben! Im nächsten Newsletter werden wir gern einige der Ergebnisse teilen, die wir im Moment für uns auswerten.
- Personelle Veränderungen an der fakd: Zum 31.08.2022 verlässt Dr. Silke Köser nach 8 Jahren die fakd und wendet sich einer neuen beruflichen Herausforderung zu. Sie hat mit viel Engagement und großer Kompetenz, mit Weitblick und Liebe fürs Detail wesentlich die Entwicklung der fakd in den letzten Jahren geprägt. Dafür danken wir ihr sehr herzlich und wünschen für den neuen Wegabschnitt Gottes Segen! Neu im Team begrüßen wir Dr. Ricarda Schnelle in der Nachfolge der Studienleitung von Dr. Lars Charbonnier. Die hannoversche Pfarrerin, die bei Prof. Jan Hermelink in Praktischer Theologie promovierte, wird ihren Dienst am 01.09.2022 antreten. Mit einem Stellenanteil wird außerdem Franziska Woellert in der Nachfolge von Dr. Silke Köser die Arbeit der fakd bereichern. Die studierte Geographin und systemische Organisationsberaterin, die seit 2016 Leiterin des Projekts Ev. Gütesiegel Familienorientierung ist, beginnt zum 01.11.2022. Wir freuen uns auf beide neuen Kolleginnen sehr und wünschen einen motivierenden Start!
- Familienorientierung stärken – neue Publikation der fakd erschienen: Franziska Woellert, Antje Pech und Dr. Lars Charbonnier haben ein informatives und anregendes Buch rund um das Thema der Familienorientierung in Kirche und Diakonie herausgegeben. Weitere Informationen finden Sie hier.
Herzliche Grüße
Ihr Team der Führungsakademie für Kirche und Diakonie
