fakd-Newsletter vom 19. Mai 2022
Liebe Leserinnen und Leser,
der Mai ist da! Nicht nur das sommerliche Wetter lässt uns nach einem langen Pandemiewinter Luft holen, auch Wochenenden und Feiertag geben uns eine Atempause.
Luft holen, Atem schöpfen, Pause machen – eine Auszeit können alle aktuell gut gebrauchen. Für den einen bedeutet das, mit einem Buch im Gartenstuhl in die Sonne zu blinzeln, die andere entspannt am besten bei Bewegung mit anderen Menschen an der frischen Luft, der dritte braucht neue Anregungen, Impulse, Erfahrungen, welche die Dinge in Bewegung halten - Hauptsache raus aus dem Alltag und etwas Anderes, Neues erleben.
"Raus aus dem Alltag" könnte auch ein Motto unserer Seminare und Weiterbildungen sein, denn unser erklärtes Ziel ist es, dass Sie in angenehmer Atmosphäre mit interessanten Menschen einen neuen und anderen Blick auf ihren beruflichen Alltag gewinnen.
Und so wundert es nicht, dass unsere Teilnehmenden - nicht nur im Mai - am Ende eines Seminars häufig sagen: Das war eine wirklich gute Auszeit! Und das sogar im Anschluss an Online-Veranstaltungen.
Dr. Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter der EKD und Franziska Woellert, systemische Organisationsberater schenken uns in diesem Newsletter eine neue Perspektive auf den beruflichen Kontext.
In diesem Sinne laden wir Sie herzlich zu einer anderen Auszeit zu uns nach Berlin oder auch in unsere virtuellen Lernräume ein!
1. Zukunft gestalten – Worauf es jetzt ankommt!
Von PD Dr. Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter des Rates der EKD und Leiter des EKD-Kulturbüros, Berlin
Die Neugier gilt seit je her als Laster, als freche intellektuelle Lust, die sich mit dem Althergebrachten nicht begnügt und rücksichtslos nach vorne stürmt. Ich finde, dass es an der Zeit ist, es neu mit ihr zu versuchen. Denn in Kirche und Diakonie herrscht allzu oft eine pessimistische Stimmung, die überall nur Niedergang erkennen kann. Nicht selten verbinden sich dann Angst und Kontrollsucht. Aber gegen Veränderungen hilft erst einmal eine gute Portion Neugier: Was passiert da eigentlich? Welche Menschen begegnen mir hier? Was könnten wir gemeinsam anstellen?
Neugier kann natürlich etwas Angestrengtes und auch Übergriffiges an sich haben. Dann sollte man es aber mit Interesse und Wissensfreude versuchen. Das dürfte eine Hauptaufgabe für Führungskräfte sein – schlicht sich zu interessieren: für die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, für die inhaltliche Arbeit und wie sie sich verändert, für die Quellen, aus denen wir schöpfen. Im vollgestopften Alltag ist das nicht leicht. Aber im Interesse – im Dazwischensein – liegt die Lebendigkeit, in der sich unsere Arbeit erfüllen kann.
2. Angebote der fakd
Wir entwickeln laufend neue Angebote in unseren unterschiedlichen Kategorien der Weiterbildungen, Seminare, Tagungen, Werkstätten - in Präsenz - und Online-Formaten, die Ihnen Anregung und Impuls für die Gestaltung Ihrer Arbeit sein sollen.
Neue Impulse gewinnen Sie z.B. hier:
Community of Practice – Pioneering. Werkstattfortbildung „Kirche neu erproben“Start 28. Juni 2022 - 02. Februar 2023 mit Prof. Dr. Andreas Rauhut und Prof. D. min. Sandra Bils, Berlin
Teamentwicklung. Chance und Aufgabe von Leitung
07.-08. Juli 2022 mit Tilman Kingreen, Berlin
Bundesrahmenhandbuch Schutzkonzepte vor sexualisierter Gewalt
Start 16. August 2022 - 28. Oktober 2022 mit Katharina Loerbroks, Berlin
Diakonie verantworten in der Spannung zwischen religiöser Prägung und Diversität
29.-30. August 2022 mit Nils Christiansen und Dr. Tobias Kirchhoff, Erfurt
Hauen und Stechen?
05.-06. September 2022 mit Andrea Strodtmann, Berlin
Teamentwicklungscoach
07.-08. September 2022 mit Tilman Kingreen und Veronika Zierske, Berlin
Big Data, Künstliche Intelligenz (KI) und Controlling
08. September 2022, 12:30-17:00 Uhr mit Prof. Dr. Gabriele Moos und weiteren Expertinnen und Experten, online
Management in sozialen Organisationen (MSO 27)
Start 21.September 2022 - 18. Januar 2025 mit Uwe Lapp und vielen weiteren Dozentinnen und Dozenten, Berlin
Grundlagen kirchlicher Führungskunst
Start 27.September 2022 - 08. Juni 2023, Berlin. Mit Sibylle Vorndran, Uwe Lapp, Christine Zarft, Michael Zirlik u.a.
Führung AHOI ?! Leinen los
Start 20. Oktober 2022, 08:30-11:30 Uhr - 24. November 2022, 08:30-11:00 Uhr mit Martina Leidinger und Christine Ursel, online
Wirksame Führung im 21. Jahrhundert
30. November - 02. Dezember 2022 mit Frank H. Baumann-Habersack, Hannover
Und viele weitere kurze und auch längere Online-Seminare finden Sie bei uns - schauen Sie gern hier einmal nach!
3. Aus dem Werkzeugkasten:
Von einfach zu chaotisch –
Wie der Cynefin-Systemansatz Führungskräfte bei strategischen Entscheidungen unterstützen kann
Von Franziska Woellert, Beraterin für systemische Organisationsentwicklung, Berlin
Führungskräfte treffen jeden Tag unzählige Entscheidungen. Dabei neigen sie wie jeder Mensch dazu, auf bekannte Muster zurückzugreifen, um schnelle Lösungen zu finden. In vielen Situationen ist dieses „schnelle Denken“1 durchaus sinnvoll, doch je komplexer die Problemstellungen sind, desto mehr führt der Impuls, nach Mustern zu handeln, zu Fehlentscheidungen und verkannten Chancen. Der von Dave Snowden entwickelte Cynefin-Systemansatz (im Englischen Cynefin-Framework) bietet Führungspersonen einen Entscheidungsrahmen, der sie darin unterstützt, auf unterschiedliche Herausforderungen reflektiert reagieren zu können.2
Das Wort Cynefin (Kü-né-win) kommt aus dem Walisischen und hat in etwa die Bedeutung „Lebensraum“. Mit Hilfe des Cynefin-Ansatzes können Problemstellungen in vier unterschiedliche Systemkontexte – einfach, kompliziert, komplex und chaotisch – eingeordnet werden, je nachdem, wie Ursache und Wirkung zusammenhängen. Ein fünfter Kontext beschreibt den Zustand der Unsicherheit, zu welchen der vier Kontexte eine Aufgabe oder eine Problemstellung zugeordnet werden kann („disorder“). Im Folgenden werden die vier Kontexte und die mit ihnen verbundenen Handlungsstrategien kurz erläutert.
Einfache („klare“) Systeme zeichnen sich durch lineare und allgemein bekannte Ursache-Wirkung-Beziehungen in einem stabilen Umfeld aus. Die Funktionsweisen in einfachen Systemen lassen sich leicht antizipieren, wie zum Bespiel der Bestellvorgang in einem Online-Shop. Aufgaben in einfachen Systemen kennen nur eine richtige Lösung, lassen sich in Flow-Charts problemlos darstellen und können daher auch leicht delegiert werden. Es reicht ein „Best Practice“-Wissen im Sinne von erkennen – kategorisieren – reagieren.
Komplizierte Systeme sind ebenfalls von direkten Ursache-Wirkung-Beziehungen geprägt, allerdings mit deutlich mehr Variablen. Die Vorhersehbarkeit der Funktionsweisen ist möglich, aber aufwendig – wie zum Beispiel bei der Steuerung eines Flugzeugs oder der Organisation einer Großveranstaltung. Um sich in komplizierten Systemen zurechtzufinden, bedarf es also eines Expertenwissens („Good Practice“) nach dem Ablauf erfassen – analysieren – reagieren.
In komplexen Systemen nimmt die Anzahl der Variablen und möglichen Wirkungsweisen und Zusammenhängen derart zu, dass Vorhersagen nicht mehr zuverlässig zu treffen sind. Komplexe Systeme sind zwar in sich einigermaßen stabil, aber ständig in Veränderung und lassen sich daher selbst unter Verwendung von Erfahrungswerten, Plänen und Expertenwissen kaum bewerten. Daher gilt für komplexe Systeme die Handlungsstrategie ausprobieren – wahrnehmen – reagieren nach dem Prinzip der „Emergent Practice“ (oder „Social Practice“).
In chaotischen Systemen reagieren viele sich schnell verändernde Variablen zufällig oder so schnell miteinander, dass kaum noch Ursache-Wirkung-Zusammenhänge zu erkennen sind – ein Terroranschlag oder ein Großfeuer sind hierfür Beispiele. Chaotische System sind sehr dynamisch und drohen jederzeit zu kollabieren. Die Vulnerabilität in diesen Systemen ist so hoch, dass keine Zeit bleibt, Details zu erfassen oder gar zu analysieren. Stattdessen geht es darum, möglichst rasch stabilisierende Maßnahmen umzusetzen und Sicherheit zu schaffen. In chaotischen Systemen gilt daher die Strategie handeln – wahrnehmen –reagieren nach dem Prinzip „Novel Practice“ (auch „Interimsmanagement“).
Die 5 Cynefin-Systemzustände

Wie hilft der Cynefin-Systemansatz bei der Entscheidungsfindung? Ganz einfach, mit der Einordnung eines Problems oder Fragestellung in einen der vier Systemzustände können Führungskräfte wirksame Methoden und Instrumente ableiten. Dabei sind es vor allem die in der Abbildung rot gedruckten Handlungsbegriffe, auf die es in der jeweiligen Situation besonders ankommt. In einfachen bzw. komplizierten Systemen ist es vor allem von Bedeutung, eine Situation richtig einzuschätzen beziehungsweise gut zu analysieren. In komplexen Systemen ist eine profunde Analyse nicht mehr möglich. Um hier zu Lösungen zu kommen, müssen erste Hypothesen aufgestellt und Testversuche gewagt werden, um sich in kleinen Schritten der Lösung eines Problems zu nähern. Dabei kommt es oft zu anderen Erkenntnissen und Ergebnissen als am Anfang gedacht. Die Scrum-Methode funktioniert nach diesem Prinzip. In chaotischen Situationen dagegen steht das Handeln an erster Stelle, bevor tiefergehende Überlegungen angestellt werden.
Weitere Informationen zum Cynefin finden Sie hier. https://thecynefin.co/
1 Für eine tiefergehende Beschäftigung zum Thema „Schnelles Denken, langsames Denken“ empfehle ich die gleichlautende Publikation von Daniel Kahneman.
2 Vgl. Snowden, Dave; Boone, Mary (2007): A Leader’s Framework for Decision Making. Harvard Business Review, Nov. 2007
… und sonst noch
- Mit großer Freude begrüßen wir Michael Zirlik als neuen Studienleiter an der Führungsakademie für Kirche und Diakonie!
Seit dem 15.04.2022 arbeitet er mit einem Stellenanteil für unsere Akademie. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben ihn schon als Dozenten zu Themen wie Change-Management, Agilität oder Personalentwicklung bei uns erlebt. „Menschen, Teams und Organisationen in ihrer Entwicklung begleiten - in der Synthese von Erfolg, Leistungs- und Anpassungsfähigkeit, Entfaltung, Freude und Sinn“, das ist die Leidenschaft Zirliks, die er von nun in dieser Rolle für uns und Sie kompetent und engagiert einbringen wird. Der Dipl.-Kaufmann aus dem Fränkischen ist Systemischer Coach (gst), Scrum Master (PSM 1) und Product Owner und als Organisationsentwickler seit 1997 in verschiedenen Funktionen in der Personal- und Organisationsentwicklung in Industrie, Handel, Beratung und Training, Sozial- und Gesundheitswirtschaft tätig. 2011 - 2022 hatte er die Leitung von Organisationsentwicklungsprojekten bei diakoneo, einem großen Diakonischen Unternehmen im Süddeutschen Raum inne, u.a. zu Unternehmenskultur, Agilität, Digitalisierung und Demografiemanagement. Im Rahmen seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit an der WLH Fürth und der Ev. Hochschule Nürnberg hat er sich schwerpunktmäßig mit dem Thema „Unternehmenskultur in werteorientierten Organisationen“ beschäftigt. - Führungskräfte in Kirche und Diakonie. Schlaglichter auf Anforderungen und Zukunftsperspektiven“ ist der Titel eines Artikels, den unsere Studienleitung Dr. Silke Köser im Themenheft „Diakonische Kirche werden“ der Zeitschrift Evangelische Theologie veröffentlicht hat. Zum Artikel
- Die gemeinde.akademie Rummelsberg, mit der die fakd auf vielfältige Weise langjährig verbunden ist, feiert ihren 50. Geburtstag. Wir gratulieren und weisen gerne auf das Festprogramm und interessante Vorträge hin. Zum Programm
- Save the date: Gut, Gerne, Gesund – Mit 3G Veränderung gestalten, Online-Fachtagung am 26.10.2022 von 10.00-15.30 Uhr. 3G einmal anders, aber mindestens genau so wichtig: Gesunde Führung ist in den letzten Monaten wichtiger denn je geworden und genau darum, geht es auf diesem Fachtag in Kooperation mit der Ev. Kirche der Pfalz und der Evangelischen Fachstelle für Arbeits- und Gesundheitsschutz. Seien Sie dabei! Zum Save the Date
- In unregelmäßiger Folge wollen wir an dieser Stelle auch auf ausgewählte Veröffentlichungen aus dem Kreis unserer Teilnehmenden hinweisen, die uns inspiriert und gefallen haben, heute empfiehlt Dr. Silke Köser:
Irina Ohse/Bernhard Preusche: Moderationsmaterial ethische Fallbesprechungen. Freiburg 2022. Wer eine praxisnahe und kompetente Einführung in ethische Fallbesprechungen für den Alltag in diakonischen Einrichtungen sucht, wird hier fündig.
Herzliche Grüße
Ihr Team der Führungsakademie für Kirche und Diakonie
