Distanz und Nähe - zwischen Kälte und Kumpanei
Aufsichtsräte in der Diakonie und Sozialwirtschaft
Je kleiner und lokaler ein Sozialwerk ist, desto enger sind auch die Verbindungen zwischen Mitgliedern, Mitarbeitern, Vorständen, Aufsichtsräten und manchmal auch Klienten. Man kennt sich aus der Schule, aus der lokalen Szene, man hängt familiär oder politisch zusammen, man glaubt an die gleichen Werte oder lehnt die gleichen Werte ab, man ist in der gleichen Partei oder der gleichen Kirchengemeinde, hat Kinder in der selben Schule oder singt im gleichen Chor. Man duzt sich, man schätzt sich mehr oder weniger, man vertraut sich öffentlich und misstraut sich insgeheim. Kurz: Menschlicher kann es eigentlich nicht zugehen.
Das Problem ist nur: In diesem komplexen, fast undurchschaubaren Miteinander hat man unterschiedliche Rollen mit jeweils klaren, manchmal auch widersprüchlichen, Verantwortlichkeiten übernommen. Schwer vorstellbar, dass da Personalien unvoreingenommen behandelt oder Kritikgespräche vertraulich geführt werden können.
Da ist guter Rat teuer. Genauer gesagt, selbst der teuerste externe Rat hilft kaum weiter, weil die Umsetzung an den Verhältnissen und Beziehungen scheitert.
Bei großen und überregional aufgestellten Werken ist eher das Gegenteil zu beobachten: Kühle, korrekte Erledigung der Pflichten, strenge Trennung von privaten und dienstlichen Themen, kaum persönliche oder gar familiäre Kontakte und auch wenig Einblicke in das, was den Kollegen oder die Kollegin außerhalb des Gremiums bewegt oder erfreut.
Warum ist das Thema von Bedeutung?
Zunächst einmal, weil die beiden Seiten unterschiedliche Rollen haben. Satzungen beschreiben das ungefähr so: Das Aufsichtsgremium soll den Vorstand (die Geschäftsführung) einerseits kontrollieren, beaufsichtigen, auf dem rechten Wege halten – und andererseits auch beraten, begleiten und wichtige Weichenstellungen mitgestalten.
Die gute alte Aufsicht mit drei Sitzungen im Jahr bei Kaffee und Kuchen reicht nicht mehr aus. Es braucht Vertrauen, es braucht Offenheit, es braucht Kompetenz, es braucht Zeit, es braucht Information – und es braucht die Sicherheit, dass auch die andere Seite ihre Rolle kennt und Offenheit nicht missbraucht, sondern würdigt.
Wer Angst vor Indiskretionen haben muss, wird sich nicht öffnen. Wer sich nicht öffnet, kann nicht beraten werden. Wer nicht beraten werden kann, bleibt ratlos. Ein Teufelskreis.
Ein Beispiel: Ich bin Vorsitzender des Stiftungsrates einer großen Diakoniestiftung mit zwölf Mitgliedern. Das sind in der Theorie eigentlich zu viele, aber in der Praxis funktioniert die Arbeit prima. Das ist auch deshalb so, obwohl oder weil eigentlich jedes Mitglied dieses Gremiums von Erfahrung und Kompetenz her selber den Vorsitz führen könnte. Die Mehrheit der Gremienmitglieder durfte ich selber suchen und dem Gremium zur Berufung vorschlagen. Das war und ist ein Privileg, aber auch eine Verantwortung. Manche kannte ich schon vorher, die anderen lernte ich erst bei der Suche kennen. Heute, nach 5, 10 oder mehr Jahren guter Zusammenarbeit, bin ich mit gut der Hälfte auf Du. Weil wir alle auf der gleichen Seite stehen, tut das wenig zur Sache.
Anders bei Vorständen. Sie sind das Objekt meiner Aufsichtsaufgabe. Da hilft auch sprachliche Distanz, die Rollen zu wahren. Aber wenn ich einen Vorstand schon länger kennen würde, als unsere Zusammenarbeit hier andauert, würde ich deshalb nicht die Anrede wechseln. Ich – und wahrscheinlich auch der Vorstand – vertraue dann auf den gegenseitigen Anstand und bin bisher nie enttäuscht worden.
Ergebnisse
Sie reflektieren Ihr eigenes und Ihr organisationales Umgehen mit dieser Herausforderung von Nähe und Distanz im aufsichtlichen Handeln.
Schwerpunkte
Wie gehen Sie mit Distanz und Nähe in Gremien um? Und warum?
Welche Ratschläge würden Sie geben?
Welche Schritte würden Sie gehen, um ein sich fremdes Gremium näher zusammen zu bringen?
Informationen
20. November 2023 | 17:00 - 18:30 Uhr
12 Teilnehmende
Aufsichtsräte und Vorstände oder Geschäftsführungen in Diakonie und Sozialwirtschaft
175,00
Veranst.-Nr.: 510879
Methoden
Input und Plenumsgespräch
Dozierende
Prof. Dr. Martin Beck, Unternehmensberater, Pliezhausen
Kontakt
Inhaltliche Anfragen
Dr. Lars Charbonnier0172-739 28 50
Anmeldung
Bianka Mertel030/ 488 37 479
bianka.mertel@fa-kd.de